Deutsche Komödien. Das ist ein Widerspruch in sich. Trotzdem gebe ich die Hoffnung nie auf. Jemand könnte es schließlich tatsächlich einmal hinbekommen. Aber ich werde leider immer eines Besseren belehrt. Dieses Mal war es besonders übel, denn dieses geförderte Filmchen (ich zählte gleich fünf Förder-Ämter im Abspann) hatte mit seiner Prämisse durchaus Potenzial: Bayrische Provinznudeln älteren Jahrgangs versuchen, mit Telefonsex Geld zu verdienen, um so ihre private Staatspleite abzuwenden.
Natürlich ist mir klar gewesen, dass das Endergebnis selbst unter besten Voraussetzungen nur zu einer hollywood’schen Nonsense-Komödie gereicht hätte, die Sonntagnachmittag auf RTL2 versendet worden wäre. Aber für einen deutschen Film wäre so ein Niveau eben schon viel. Extrem viel. Die Autorin – die einfacherweise ihren eigenen Roman verfilmschreiben durfte – hat es auch tatsächlich geschafft, die klassisch-bewährte hollywood’sche Filmstruktur abzupausen und mit ihrem Buchinhalt zu befüllen (Motto: erst muss es richtig Dicke kommen, dann das dicke Happy End). Dafür gebührt ihr durchaus Lob, wo das doch nur die allerwenigsten deutschen Filmschreiber unfallfrei hinbekommen (typische Ausreden: „Ich mache Kunst statt Kommerz“ und „deutscher Lokalkolorit fast wie aus dem Leben“).
Leider konnte der Film dieses Potenzial aber nicht einmal ansatzweise nutzen. Der Film krankt nämlich an dem immer gleichen Problem, wenn wir Deutschen meinen, zum Stift oder gar zur Kamera greifen zu müssen: die Macher haben es Dank ihrer teutonischen Wurzeln (mal wieder) zielsicher geschafft, jeglichen Esprit in einem biederen Trägheitswahn zu ersaufen. Wieso „bayrische Provinz“ (oder sonst eine deutsche Region) immer mit „biedere Inszenierung“ gleichgesetzt werden muss – also das muss mir wirklich jemand mal erklären. Ich habe es bis heute nicht verstanden.
Nicht nur sind Kamerafahrten so selten, dass man sie glatt als gefährdete Spezies deklarieren könnte, nein, auch der Schnitt des Filmes fällt mit seiner Trägheit sogar einem Blinden auf: die Schnitte kommen in fast jeder Einstellung drei bis zwanzig Sekunden zu spät. Egal was passiert, es ist am Ende jeder Szene immer noch so viel Platz übrig, dass man locker noch einen Kurzfilm da drin hätte parken können. Ständig ertappte ich mich bei der Frage, ob da jetzt noch was Wichtiges passiert, oder das ZDF einfach keine mehr Lust hatte, unser Geld für nutzlos verfilmte Filmmeter verrechnen zu müssen. Lebendige und interessante Inszenierung sieht wahrlich anders aus.
Okay, ich gebe ja gerne zu, dass man mit der Reduktion an Frames pro Einstellung zu weit gehen kann. Die Transformers-Filme beweisen das schon auf wissenschaftlichem Niveau. Aber wenn ich das Gefühl bekomme, in 90 Minuten gerade mal eine halbe US-Serienepisode an Inhalt gesehen zu haben, dann stimmt einfach was nicht.
Natürlich liegt diese Misere nicht nur am Schnitt (auch wenn die da mal locker ne halbe Stunde hätten einsparen können), sondern auch an der Inszenierung insgesamt, die sich einfach viel zu viel Zeit lässt und jegliche Form von visueller Kraft oder Ideenreichtum rentengerecht aus dem Fenster wirft.
Ein Beispiel ist die Szene, in der die Jüngste des verstöhnten Trios sich dazu entscheidet, doch beim simulierten Verkehr mitzumachen. Da sie ihren Gesinnungswechsel ausgerechnet im Auto vollzieht, muss sie natürlich umdrehen. In einem US-Film wäre das mit einem quietschenden U-Turn in zwei Sekunden erledigt gewesen. Und die deutsche Variante? Die Dame bremst, sitzt eine gefühlte Ewigkeit hinter dem Lenkrad und legt dann den Rückwärtsgang ein, um schließlich ordnungsgerecht zu wenden. Die Kamera hält drauf und wir sehen das Wendemanöver in seiner gesamten, langatmigen Schönheit. Wer bei so was nicht ungeduldig auf die Uhr schaut, dem ist nicht mehr zu helfen oder ein Liebhaber öffentlich-rechtlichen Schunkelfernsehens für alle jenseits der 90.
Wie die Inszenierung bleiben auch alle Figuren blass und uninteressant. Was noch schlimmer ist: viele haben eigentlich überhaupt keine relevante Funktion im Film. So hat zum Beispiel eine der Damen eine Tochter, die von ihr getrennt lebt und daher nur in homöopathischen Dosen im Film vorkommt. Sie hat schlicht keine besondere Rolle im Film. Die einzige Ausnahme ist eine Szene, in der die Tochter erfährt, dass ihre Mutter eben nicht mit Stricken ihr Geld verdient. Ausgerechnet diese Szene ist aber ein gewaltiger Griff ins Klo, versucht mir diese doch klarzumachen, dass ausgerechnet ein pubertierendes Mädchen aus der Großstadt (!) im Jahre 2011 (!!) über diese Enthüllung heulend zusammenbricht (!!!).Glaubt jemand ernsthaft, so ein Eingeständnis würde in der Realität mehr als nur ein müdes Schulterzucken hervorrufen? Da bietet ja selbst jeder Talk am Nachmittag größere und dramatischere Enthüllungen.
Dann ist da auch noch ein Bankangestellter, dem statt Telefonsex (oder noch schlimmer) nach Telefonseelsorge dürstet. Wieso dieser Typ im Film vorkommt will mir nicht klar werden, da er schlicht nichts macht, außer zu labern. Richtig übel an der Sache ist, dass das Drehbuch dem so viel Zeit gewidmet hat, dass ich irgendwann zwangsläufig davon ausging, dass dieser noch eine wichtige Rolle spielen wird (Banker? Kreditprobleme? Passt!). Doch nein, der Banker hat eben gar nichts gemacht, außer Zuzuhören und am Ende seine Angebetete davonlaufen zu lassen. WTF? Zuletzt wäre da noch der Vater von einer der Stöhnerinnen, der zwar immer mal wieder ins Bild geschoben wird, aber auch nichts Bedeutendes zu sagen hat.
In puncto Witz konnte ich leider auch nicht mehr als eine Hand zum…Zählen gebrauchen. Eine ganz heiße Nummer hat nämlich derer gerade einmal zwei. Der erste witzige Moment ist ein trockener Kommentar eines Polizisten nach Anblick eines Dildos und der zweite die in den Hörer gehauchte Mutter-Domina-Sprüche von einer der älteren Damen. Das war es. Beim Rest hat es nicht einmal für ein müdes Lächeln gereicht.
Was bleibt also? Tja, am Ende haben wir einen deutschen Film, dem ein paar Förder-Ämter weniger ganz gut getan hätten. Oder ein amerikanisches Produktionsteam mehr, das wenigstens weiß, wie man die Leute zum Fremdschämen animieren kann. Je nachdem wie man es sehen will. Sein Potenzial nutzt Eine ganz heiße Nummer jedenfalls nicht einmal ansatzweise und beweist einmal wieder, dass der deutsche Film am Ende nur eines sein kann: bieder.
Chelly
Der Film schlug wie eine Bombe ein (ausverkaufte Kinosäle) und sprang auch gleich auf Platz 4 der Charts, obwohl nur wenige Kopien im Umlauf waren und daher eher der südliche Teil Deutschlands von diesem Filmgenuß profitieren konnte … zunächst! – Sicher werden die anderen Bundesländer bald nachziehen, denn wo der Film EINE GANZ HEISSE NUMMER lief und immer noch läuft, da ist er bereits Kult!
Mmh, na ja , auch eine geschriebene Kinokritik kann mal “ein Griff ins Klo” sein. Nicht ärgern!
filmfreak
Keine Sorge, mein Frustlevel ist auf den üblichen Werten. Die Bezeichnung “Kultfilm” hat sich Eine ganz heiße Nummer redlich verdient, auch wenn das eher ironisch gemeint ist.